Die Sanktionen sind ineffektiv und inhuman: Hans von
Sponeck, Johan Galtung, Hans Köchler
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Am 22. Mai hat der UN-Sicherheitsrat die
Wirtschafts-Sanktionen gegen den Irak aufgehoben. Damit endeten
dreizehn Jahre ökonomischer Isolation des Iraks durch die
internationale Gemeinschaft. Die UNO hatte nach der irakischen
Invasion Kuwaits 1990 zu diesen drastischen Maßnahmen gegriffen, um
Saddam Hussein zum Rückzug zu zwingen. Dieses Ziel konnte
schließlich nur durch militärische Intervention erreicht werden.
Die Sanktionen allerdings blieben auch nach der Befreiung
Kuwaits im Frühjahr 1991 in Kraft, eine neue Forderung wurde an den
Irak gerichtet: vollkommene Abrüstung. Wiederum konnte die
internationale Gemeinschaft Hussein erst durch militärischen Druck
zur Einhaltung der Resolutionen bewegen. Die von den USA angeführte
Kriegskoalition glaubte sogar, ein zweites Mal Krieg führen zu
müssen. Die Frage ist allerdings, warum Wirtschafts-Sanktionen nicht
die gewünschten Ziele erreichen.
Boykott politisch
unwirksam… Das Institute for International Economics
(IIE) hat die Wirksamkeit von Wirtschafts-Sanktionen untersucht.
Deren Effektivität hat in den letzten Jahrzehnten deutlich
abgenommen: Nur in einem Fünftel der untersuchten Fälle zwischen
1970 und 1990 war der Boykott erfolgreich. Sanktionen sind ein
ökonomisches Zwangs-Instrument, um das politische Verhalten eines
Staates, gegen den sie gerichtet sind, zu beeinflussen.
Der
Friedensforscher Johan Galtung hat bereits in den sechziger Jahren
versucht zu erklären, warum Wirtschafts-Sanktionen eine geringe
Erfolgsquote haben. Die Verfechter solcher Maßnahmen gehen von einer
falschen Theorie aus: Der Niedergang des gesellschaftlichen
Wohlstandes als Folge des ökonomischen Boykotts würde die
Bevölkerung zum Aufstand gegen das eigene Regime ermuntern. Dies
anzunehmen, sei naiv, sagt Galtung, denn das Gegenteil tritt ein.
Die Bevölkerung fühlt sich von außen bedroht und schart sich
um die Regierung, welche die Gelegenheit nutzt, um Stärke zu zeigen.
„Die Regierenden erhalten die Möglichkeit, sich als David
darzustellen, der von einem übermächtigen Goliath bedroht wird“, so
der Friedensforscher. Außerdem ist es in einer globalisierten
Wirtschaft kaum mehr möglich, alle Handelsströme zu unterbinden, wie
das IIE in seiner Studie festhält. Auch der Irak konnte Öl in die
Nachbarländer Türkei, Syrien und Jordanien schmuggeln.
…aber eine humanitäre Katastrophe Die
Wirtschafts-Sanktionen verfehlen nicht nur ihr Ziel, die Menschen
sind auch die Leidtragenden dieser Politik. Johan Galtung, Träger
des alternativen Nobelpreises, hat mehrmals die Folgen der
Irak-Sanktionen angeprangert. Auch mehrere UNO-Dokumente haben in
den vergangenen 13 Jahren auf die dramatischen Auswirkungen der
Sanktions-Politik aufmerksam gemacht. Und zuerst trifft es die
Schwachen in der Bevölkerung: Die Kindersterblichkeit im Irak ist
seit 1990 um 160 Prozent gestiegen; über 500.000 Kinder starben
wegen fehlender Medikamente, Unterernährung und schmutzigem Wasser;
alle drei Faktoren sind auf die Sanktionen zurückzuführen. Auch die
psychischen Erkrankungen unter Kindern haben deutlich zugenommen.
Noam Chomsky sprach angesichts solcher Zahlen vom
„legitimierten Massenmord.“ Die langfristigen Folgen betreffen aber
auch den Rückgang der Alphabetisierung. In den achtziger Jahren war
der Irak noch international ein Vorbild, unter dem Sanktionsregime
ist die Zahl der Analphabeten wieder um 20 Prozent gestiegen.
Lebensnotwendige Güter können nicht importiert
werden Auch das 1995 beschlossene „Öl-für-Nahrung“-Programm
konnte die humanitäre Situation nicht verbessern: Der Irak durfte
unter Überwachung der UNO eine bestimmte Menge an Öl verkaufen, um
medizinische Güter und Nahrungsmittel zu importieren. Allerdings
durften so genannte „dual use“- Güter nicht eingeführt werden, also
Waren, die potentiell auch militärisch genutzt werden könnten.
Darunter fällt etwa die chemische Substanz Chlorin, die zur
Reinigung von Trinkwasser nötig ist.
Auch andere notwendige
medizinische Geräte und Medikamente fielen unter Verdacht, für
militärische Zwecke missbraucht zu werden und durften daher nicht
importiert werden. Sowohl Hans von Sponeck als auch Dennis Halliday
traten als Verantwortliche des „Öl-für-Nahrung“-Programms angesichts
der humanitären Katastrophe zurück. „Diese Sanktionen sind politisch
wirkungslos und menschlich eine Katastrophe“, meinte etwa von
Sponeck.
Sanktionen verstoßen gegen
Menschenrechte Hans Köchler, Professor für politische
Philosophie in Innsbruck, hat ebenfalls zahlreiche Appelle zur
Aufhebung der Irak-Sanktionen unterschrieben und sieht im
Wirtschafts-Boykott einen Verstoß gegen die Menschenrechte:
„Zwangs-Maßnahmen dürfen niemals eine Kollektiv-Bestrafung sein.“
Genau das aber passiert. Im humanitären Völkerrecht ist die
Geiselnahme der Bevölkerung laut Genfer Konvention verboten. Auch
der Sicherheitsrat ist an die Einhaltung der Menschenrechte, wie sie
in der UNO-Charta niedergelegt sind, gebunden, so Köchler.
„Sanktionen sind eine strukturelle Form der Gewalt, weil sie das
Recht auf Leben und auf medizinische Versorgung
untergraben.“
Der Tod kommt auf leisen Sohlen Der
amerikanische Präsident Woodrow Wilson hoffte nach dem Ersten
Weltkrieg noch, dass Wirtschafts-Sanktionen als Mittel
internationaler Politik Kriege in Zukunft obsolet machen würden.
„Wende diese wirtschaftlichen, friedlichen, stillen, tödlichen
Maßnahmen an und der Einsatz von Gewalt wird nicht notwendig sein.“
Es scheint, als habe er das Wesen des Boykotts schon erkannt; nur
glaubte er noch an dessen Wirksamkeit.
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Irak-Sanktionen
Prof. Hans Köchler
(pk)
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