I N T E R N A T I O N A L   P R O G R E S S    O R G A N I Z A T I O N

MEMORANDUM
 über die Anklage gegen den Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien, den Präsidenten der Republik Serbien und andere Amtsträger Jugoslawiens
durch das "Internationale Tribunal für die Strafverfolgung von Personen, die für schwere seit 1991 auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien begangene Verletzungen des humanitären Völkerrechts verantwortlich sind"

-- Nicht autorisierte Übersetzung aus dem englischen Original --

Die International Progress Organization verweist auf ihre Stellungnahmen vom 7. April und 23. April 1999 zu den schweren Verstößen gegen die Charta der Vereinten Nationen und die Regeln des humanitären Völkerrechts durch den unerklärten Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Zu der heutigen "Anklage" des "Internationalen Straftribunals" legt die International Progress Organization hiermit folgende rechtliche Stellungnahme vor:
 
1. Die "Anklage", die von der "Chefanklägerin" des sogenannten "Internationalen Straftribunals" erhoben wurde, ist rechtlich ungültig, weil das "Tribunal" keine Gerichtsbarkeit über den vorliegenden Fall oder irgendeinen anderen Fall innehat.
 
2. Das "Tribunal" leitet die Begründung seiner Existenz ausschließlich aus der Resolution 827 des Sicherheitsrats her, die dieser in seiner 3217. Sitzung am 25. Mai 1993 angenommen hat. In dieser Resolution, die das "Internationale Straftribunal" einrichtet, erklärt der Sicherheitsrat, daß er "aufgrund von Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen" handelt.
 
3. Mit der Annahme der vorgenannten Resolution handelte der Sicherheitsrat in Überschreitung seiner satzungsgemäßen Befugnisse. Nach den Bestimmungen der VN-Charta hat der Rat keinerlei Zuständigkeit in Angelegenheiten der Rechtsprechung. Die Vorschriften von Kapitel VII bestimmen die Befugnisse des Rates in Angelegenheiten der internationalen Sicherheit jedoch nicht in Angelegenheiten der Strafjustiz oder anderen Angelegenheiten der Rechtsprechung. Die alleinige Autorität in Angelegenheiten der internationalen Rechtsprechung liegt beim Internationalen Gerichtshof.
 
4. Die "Feststellung" in der Präambel von Sicherheitsratsresolution 827, Paragraph vier, dass die "verbreiteten und offenkundigen Verletzungen des humanitären Völkerrechts" auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien "eine Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit darstellen", bietet keine tragfähige rechtliche Grundlage dafür, dass der Sicherheitsrat als eine quasi-rechtsprechende Behörde handelt oder einen internationalen Gerichtshof mit Zuständigkeit für diesen oder irgendeinen anderen Fall schafft.
 
5. Es ist bedauerlich, daß der Sicherheitsrat, der unfähig ist, den unerklärten Krieg zu stoppen, den die NATO-Länder in Verletzung des internationalen Rechts gegen Jugoslawien führen, und der aufgrund des Vetorechts der Mächte, die den gegenwärtigen Krieg führen, daran gehindert ist, den internationalen Frieden und die Sicherheit in Jugoslawien wiederherzustellen, jetzt als Institution dazu benutzt wird, sogenannte "rechtsprechende" Maßnahmen gegen das legitime Staatsoberhaupt und andere hohe Amtsträger des angegriffenen Landes zu ergreifen.
 
6. Unter den gegenwärtigen Umständen kann das Vorgehen der "Chefanklägerin" des sogenannten "Tribunals", Frau Louise Arbour, nur als seinem Charakter nach politisch bewertet werden. Diese Auffassung wird durch die heutige Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten bestätigt, dass die "Anklage" durch das "Tribunal" als eine Billigung der Kampagne der NATO gesehen werden kann.
 
7. Die rein politische Natur dieser "Anklage" und das Fehlen jeglicher rechtlichen Gültigkeit dieser Entscheidung kann ferner aus der Tatsache ersehen werden, daß die "Präsidentin" des sogenannten "Tribunals", Frau Gabrielle Kirk McDonald (Vereinigte Staaten von Amerika), die "Chefanklägerin", Frau Louise Arbour (Kanada), und der untersuchende "Richter" in dem vorliegenden Fall, Herr David Anthony Hunt (Australien), Staatsbürger entweder eines für diesen unerklärten Krieg gegen Jugoslawien direkt verantwortlichen NATO-Mitgliedslandes oder eines den NATO-Krieg voll unterstützenden Landes sind. Hätte das "Tribunal" allgemeingültige rechtliche Maßstäbe der Unparteilichkeit ernst genommen, wäre es nicht umhingekommen festzustellen, daß für "Richter" aus Ländern, die einen unerklärten Krieg gegen Jugoslawien führen, ein Interessenkonflikt vorliegt, wenn sie einem Spruchkörper angehören, der "rechtsprechende" Maßnahmen gegen das Staatsoberhaupt des angegriffenen Landes einleitet.
 
8. Die politische Natur der "Anklage" geht ferner ganz offensichtlich aus der heutigen Presseerklärung der "Chefanklägerin" hervor, in der sie die Auffassung vertritt, dass das "angeklagte" Staatsoberhaupt nicht als Partner bei allfälligen Verhandlungen über eine friedliche Regelung des Konflikts in Betracht kommen könne. Eine solche Erklärung spricht jeglichen rechtlichen Maßstäben Hohn, die das sogenannten "Tribunal" selbst zu beachten vorgibt. Mit ihrer Erklärung hat die "Chefanklägerin" versucht, wie eine quasi-Politikerin zu agieren und die politischen Ereignisse im Interesse derjenigen NATO-Länder zu beeinflussen, die gegenwärtig gegen Jugoslawien Krieg führen.
 
9.Wenn eine selbsternannte Gruppe von Staaten in Verletzung der Charta der Vereinten Nationen behauptet, im Namen des internationalen Friedens und der Menschenrechte zu handeln, einen Krieg mit allen Mitteln gegen einen souveränen Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen führt und ungestraft vorsätzlich die zivile Infrastruktur dieses Landes zerstört, dann kann das derzeitige Unterfangen von Funktionsträgern des sogenannten "Tribunals", die legitimen Führer des angegriffenen Landes zu Straftätern zu erklären, nur als ein Akt angesehen werden, der die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft behindert, den Konflikt in Jugoslawien mit friedlichen Mitteln zu lösen. Dieses Vorgehen untergräbt alle Anstrengungen, den Konflikt im Rahmen der Vereinten Nationen zu lösen, und verlängert nur die Leiden des Volkes von Jugoslawien, einschließlich der Kosovo-Albaner.
 
10. Es wäre allerdings angebracht, dass das sogenannte "Tribunal" - falls es denn seine Glaubwürdigkeit ungeachtet seiner oben dargelegten juristischen Unzuständigkeit wenigstens in Bezug auf moralische Maßstäbe unter Beweis zu stellen wünscht, seine Aufmerksamkeit auf die Praktiken richtet, die von der NATO-Koalition in ihrem unerklärten Krieg gegen das Volk von Jugoslawien (einschließlich der Provinz Kosovo) angewandt werden. Die Bestimmungen von Artikel 3 des sogenannten "Tribunals" bezeichnen unter anderem die folgenden Praktiken als "Verletzungen des Kriegs- oder Kiegsgewohnheitsrechts":  (a) Verwendung von giftigen Waffen oder anderen Waffen, die geeignet sind, unnötigesLeiden zu verursachen;" (c) "Angriff oder Bombardierung, gleich mit welchen Mitteln, gegen unverteidigte Städten, Dörfer, Wohnungen oder Gebäude;" etc. Der Einsatz von Urangeschossen und Kassettenbomben durch die NATO, die Angriffe der NATO auf Dörfer, zivile Busse etc. fallen eindeutig unter die Definition von "Verletzungen des Kriegs- oder Kiegsgewohnheitsrechts", wie sie im Statut eben dieses "Tribunals" formuliert sind, nicht zu reden von den zahlreichen schweren Verstößen gegen die Genfer Konventionen von 1949, die von der NATO-Allianz begangen wurden, und für welche das "Tribunal" ebenfalls behauptet, nach Artikel 2 seines Statuts zuständig zu sein. Solange das "Tribunal" nicht gegen jene Politiker und Militärs der NATO vorgeht, die für diese schweren Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht verantwortlich sind, kann das "Tribunal" nur als eine weitere verfehlte Übung in politischer Ausnutzung gerichtlicher Verfahren im Rahmen einer "Politik des Messens mit zweierlei Maß" angesehen werden,
die der Wesensgehalt der Machtpolitik in der "Neuen Weltordnung" der NATO zu sein scheint.

11. Durch diesen neuen Einsatz rechtsprechender Verfahren zu Zwecken der Machtpolitik wird ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen. Die Gewaltentrennung, eine der Grundvoraussetzungen für die Herrschaft des Rechts, wird völlig außer Acht gelassen, wenn ein rein politisches Organ der Vereinten Nationen, der Sicherheitsrat, sich widerrechtlich Rechtsprechungsbefugnisse aneignet, indem er ein "Internationales Straftribunal" schafft, und wenn die Funktionsträger dieses "Tribunals" wie quasi-Politiker agieren und damit effektiv eine politische Lösung eines internationalen bewaffneten Konflikts behindern. Die alleinige Zuständigkeit für Gegenstände der Rechtsprechung in internationalen Angelegenheiten liegt beim Internationalen Gerichtshof. Diese Institution allein entscheidet über rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Aggression eines Staates oder einer Koalition von Staaten gegen einen anderen Staat sowie über Streitfragen auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts.

12. Wegen der bedauerlichen Lähmung des Sicherheitsrates sollten die in der Generalversammlung vertretenen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf der Grundlage der "Uniting for Peace Resolution" (res. 377 A [V] der Generalversammlung) unverzüglich tätig werden, um eine weitere gefährliche Zuspitzung der Lage in Jugoslawien zu verhindern. Wenn auf der anderen Seite unwirksame rechtliche Verfahren angewandt werden, um eine gerechte politische Lösung zu verhindern, und wenn die anhaltenden massiven Bombardierungen Jugoslawiens eine ökologische Katastrophe verursachen, die weite Gebiete unbewohnbar machen, ist unverzügliches Handeln der internationalen Gemeinschaft geboten. Falls dieser neuen Form selbstgerechter Machtpolitik nicht Einhalt geboten wird, könnten künftig ähnliche Aktionen gegen andere souveräne Staaten und ihre Führung unternommen werden. Damit wird die "Herrschaft der Gewalt" an die Stelle dessen treten, was in den internationalen Beziehungen noch an
"Herrschaft des Rechts" übrig geblieben ist. Internationale Anarchie wird das unausweichliche Ergebnis sein. Alle politischen Führer und Menschen guten Willens sollten sich vereinen gegen diese ernsteste Bedrohung der internationalen Ordnung seit dem Ende des Kalten Krieges.
 
Caracas,  den 27. Mai 1999
 
Dr. Hans Köchler, Präsident

 (Übersetzt von Klaus von Raussendorff)